Gedichte

Ein goldener Vorhang legte sich über mein Herz

und, als ich sacht hindurchlugte, gab er das Blau des Himmels frei.

Da wusste ich, wie viel mir daran lag zu leben.

Ich tat es dann aber nicht.

*

Unfassbar, unnahbar schön gleitet über die Wasser ein Schwan,

unerreichbar begehrt,

unbesitzbar verehrt,

hebt sich kraftvoll aus dem Wellenband, gleitet in luftige Höhen.

Schwebt eine weiße Feder spielerisch deinen Blick entlang,

deine Wange flüchtig berührt,

beinahe schon vom Wind entführt,

ergibt sie sich doch deiner Hand.

Unfassbar weiß, auf ruhigen Schwingen,

durch nichts zu halten, nichts zu zwingen,

entschwebt am Horizont das Glück.

Zurück bleibst du mit deinem flaumigen Fang.

Manchmal, da möcht ich

die Sonne kitzeln,

den Wind aufblasen,

die Wolken jagen

und den Regen fangen in einem Sieb.

Manchmal, da möcht ich

dir einfach sagen:

ich hab dich lieb.

Die Augen nehmen Abschied, nicht das Herz.

Vom Herzen aber kommt die Träne,

rein, klar wie die Liebe, salzig wie das Leben, farblos wie der Tod.

Sie streichelt die Wange, umrundet traurig die Stelle,

wo sonst immer das Grübchen war.

Sie hastet über das Kinn, verharrt einen Moment,

fällt ins Nichts auf immer.

Die Träne ist fort,

das Grübchen ist wieder da.

Kann dein Alleinsein akzeptieren, wer ist nicht allein?

Kann deinen Schmerz akzeptieren, wer kennt ihn nicht?

Kann deine Träne weinen, wer bräuchte nicht das Salz?

Kann deine Seele suchen, wer bist du?

Nur, wie werde ich fertig mit meiner Hilflosigkeit?

Ich

zähle die Gräber, zähle die Sterne,

vergleiche, was ist und was war.

Denke ichwärts oder lerne:

Nichts ist wirklich wunderbar.

Gut, dass die Flammen sternwärts lodern,

um die ich erdwärts warb.

warum soll ich heute modern,

nur weil ich gestern starb?

 

 

Weitere Gedichte und Geschichten in dem Buch "Baumgeschichten" von Martin Miller

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